Gestatten, in Vertretung

Nichts Neues? Immer noch im Urlaub? Der letzte Beitrag vom 18. August? Ging dem Blogger der Stoff aus? Nein! Nichts von alledem. Die Ruhe im elektronischen Tagebuch lässt sich erklären. Am Tag nach 24 mal 24 Stunden Frankreich erwartete mich als Stadtrat eine, wenn auch ungleich reizvolle Aufgabe: Für 16 Tage der Chef im Rathaus von Mühlacker zu sein. Der Oberbürgermeister im Krankenstand, der einzige hauptamtliche Beigeordnete im Urlaub, da musste der erste ehrenamtliche Stellvertreter ran. Nichts Neues für mich, doch nur an maximal fünf Tagen am Stück wurde ich als Vize in der Vergangenheit angefordert, doch diesmal ging es dreimal so lange. Im Oktober folgt eine weitere Vertretungswoche. Ungewöhnlich sicherlich, aber durchaus erfolgreich, was auch im Ehrenamt an der Stadtspitze geleistet werden kann. Tage voller Arbeit für einen Pensionär, so als stehe man noch im Berufsleben.

Mühlacker und Lienzingen stechen heraus. Zusatznamen auf den Ortsschildern. Neben der Mühlacker Vertretung Innenminister Thomas Strobl. (Foto: Ph. Schad)

Einem Stellvertreter obliegen alle Rechte und Pflichten eines (Ober-)Bürgermeisters. Deshalb ist es ratsam, diese Aufgabe ernst zu nehmen. Ich will mir nicht nachsagen lassen, nur den Grüß Gott-Onkel gespielt zu haben. Sitzungen zu leiten wie die von Ältestenrat, Amtsleiterrunde oder gemeinderätlichem Verwaltungsausschusses gehörten genauso dazu wie eine Eilentscheidung über den Kauf von Wohncontainern über 92.000 Euro – zuerst genutzt als Umkleideräume für TSV Phönix Lomersheim, dann von Flüchtlingen.

Aber auch Überraschendes: Handwerker auf der Walz, die überraschend in der Tür zum OB-Zimmer stehen. Was ist zu tun? Die Kämmerin weiß Bescheid. Also auf zur Stadtkasse. Der Pressebericht aus dem Rathaus anderntags wird häufig und gern gelesen. Ich werde häufiger darauf angesprochen als auf das Radhaus. Überhaupt: Wer genau hinschaut, findet interessante Themen für die kommunale Öffentlichkeitsarbeit.

Siegel an Siegel - Nachweise für die Walz von Gesellen

Das Arbeitspensum umfasste auch rasch terminierte Lokaltermine auf Baustellen wie der für das neue Gerätehaus der Abteilung Lomersheim der Freiwilligen Feuerwehr, weil die Arbeiten nur schleppend vorangingen, die Freigabe von Sitzungsvorlagen der Fachämter für den Gemeinderat, das Verfassen eines Briefes an den Landrat wegen der Betreuung von Flüchtlingskindern. Ratsuchende Bürger erhielten rasch einen Gesprächstermin, strittige Bausachen wurden vor Ort besprochen. Gleichzeitig harrten Sachthemen auf Erledigung wie jene der neuen Jagdpachtverträge. Angenehm der Abschluss der Challenge Week am Jugendtreff Enzberg.

Zu den schönen Seiten zählten eine Visite im baden-württembergischen Innenministerium zur Entgegennahme der Genehmigung von Zusatzbezeichnungen auf den Ortsschildern von Mühlacker und Lienzingen. Zwei Muster brachte die vierköpfige Delegation aus Mühlacker gleich mit und bestimmte somit das Gruppenbild mit Innenminister Thomas Strobl. Nur die Ötigheimer hatten die gleiche Idee. Ein Festakt an Partytischen? Auf so etwas muss man erst einmal kommen.

Un dann der Fassanstich beim 48. Straßenfest bei gefühlten 40 Grad plus auf der Bühne. Ich mit umwickelten Beinen, die niemand sah. Erstmals mit Lienzinger Festwetter. Oder war es Mühlacker, gar wieder Dürrmenzer? Eine Gaudi, zumal beim Fassanstich der von mir gehaltene Krug zur Aufnahme des kühlen Gerstensaftes zu Bruch ging, weil der Sprecher der teilnehmenden Vereine mit einem Schlag nicht nur den Zapfhahn ins Loch beförderte, sondern auch das Tongefäß traf. Alles-in-allem eine höchst vergnügliche Sache! Anderntags ein Treffen mit den Gästen aus den Partnerstädten Bassano del Grappa und Schmölln.

Ein wichtiger Termin morgens um 9: die Begrüßung der neuen Auszubildenden, die im großen Ratssaal Platz genommen hatten. Zehn junge Damen, ein junger Mann. Bei der Vorstellung fiel auf, dass nicht wenige vorher ein Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert hatten. Knapp ein Drittel der weiblichen Azubis wollen Erzieherin werden. Ich beglückwünschte sie zu ihrer Entscheidung, sich für eine Ausbildung bei der Stadt Mühlacker entschieden zu haben und zitierte aus einer Rede des Bürgermeisters der bretonischen Stadt Saint Malo, Gilles Lurton. Zufällig stieß ich im Urlaub auf diese Passage, die mich beeindruckte und nicht nur für Mandatsträger gilt:

Was mir an einem Mandat am meisten gefällt, ist die Beziehung zu den Menschen, dieses Bedürfnis nach Kontakt, nach Menschlichkeit, die unerlässlich ist, um danach die richtigen Entscheidungen zu treffen. Menschen kennen, ihnen zuhören, auf ihre Anliegen eingehen, Projektleiter drängen, diejenigen unterstützen, die Lösungen brauchen, um über die Runden zu kommen – jeden Tag muss der gewählte Amtsträger persönlich investieren. Und um Montesquieu zu zitieren: Um Großes zu leisten, darf man kein so großes Genie sein, man darf nicht über den Menschen stehen, man muss an ihrer Seite sein.

Das Radhaus bei der Einweihung Mitte Juli 2023 (Foto: Günter Bächle)

Die Facetten des Amtes sind bunt. In diesen Tagen meiner Amtszeit erwischte die Stadtverwaltung die öffentliche Kritik, weil im neuen Fahrrad-Parkhaus am Bahnhof Zweiräder mit mehr als 75 Zentimetern breiten Lenkern keinen Platz in den Boxen finden. Das beschäftigte mich viele Stunden. Ein Test mit den Rädern zweier Amtsleiter bestätigte das Problem. Medienanfragen wurden rasch beantwortet, die Verwaltung informierte offensiv, legte alle Unterlagen offen. Obwohl belegt wurde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Auftrag an den einzigen Bieter keine breiteren Boxen auf dem Markt waren, stand die Verwaltung am Pranger.

Auf den Zentimeter kommt es auch an den Boxen an

Als alter Lokaljournalist war ich abwechselnd enttäuscht und verärgert, dass ihre vorgefassten Meinungen bei den lokalen Medienmachern mehr zählten als die von der Verwaltung aufgelisteten Argumente. Ich jedenfalls kann in diesem Punkt bis jetzt kein Versäumnis der Verwaltung erkennen, entschied aber, den Fall einem Fachanwalt vorlegen zu lassen – es soll kein Hauch von Zweifeln bestehen, dass nicht allumfassend geprüft wurde. Das Ergebnis steht noch aus. Tröstlich ist, dass viele Menschen wissen: Selbst dann, wenn vielleicht zehn Prozent der Räder nicht hineinpassen (dürften eher weniger sein), so bietet das Radhaus mindestens 90 Prozent der Radler eine sichere Garage für ihr meist wertvolles Fortbewegungsmittel.

Erstaunlich, was sich in dreieinhalb Wochen so alles bewegt und bewegen lässt. Auch die finanzielle Absicherung des Weihnachtsmarktes 2023 durch die Stadt (nicht einmal acht Tage zwischen Gesuch der Veranstalter im Gespräch mit mir und der Entscheidung durch den Verwaltungsausschuss), die Standort-Entscheidung für die Aufstellung von zehn Grenzsteinen in den Enzgärten durch den Historisch-Archäologischen Verein. Abwarten bringt nichts, rasch entscheiden ist besser. Dazu gehört, dass der OB oder BM auch da und für die Menschen greifbar sind. Die beiden Lokalzeitungen fanden: Bächle als OB – ist doch eine Geschichte wert.

Arbeitsplatz auf Wochen: OB-Dienstzimmer im Rathaus

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Kommentare

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Norbert Weimper am :

Das Interview fürs Mühlacker Tagblatt mit OB-Stellvertreter Günter Bächle war mir ein Vergnügen. Definitiv Kategorie "angenem-interessanter Job"!
Grüße Norbert Weimper
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