Auf den Spuren, die zum Loch führten

Und wieder wussten es so viele besser. Ein guter Grund fehle, um in Mühlacker einkaufen zu gehen, zitierte die Pforzheimer Zeitung ausgerechnet die Familie Sämann, nachdem diese angekündigt hatte, ihr Kaufhaus in der unteren Bahnhofstraße zu schließen. Ganz und gar nicht dieser Ansicht ist Leo Vogt vom Modegeschäft Schwesterherzen in der mittleren Bahnhofstraße. Das muss doch einen Grund haben. Pessimist der eine, Optimist der andere? Vielleicht Optimist, weil er Ideen hat, neue Wege wagt, um Kundschaft zu gewinnen und zu halten.

Wohl dem, der seine wirtschaftliche Malaise auf andere, vor allem die Kommunalpolitik abzuschieben versteht. Und da sind noch die medialen Kommentatoren, die Überschriften produzieren wie Fußgängerzone: Verpasste Chancen, gute Ideen. Und flugs Ist sie da, die Mutter aller Zentrumsprobleme - das Mühlehof-Loch. Das Arial neben dem Rathaus, über der Tiefgarage liegend. Einer Skaterbahn ähnlich.

Nicht zu übersehen: Das Mühlehof-Loch gleich neben dem Rathaus. Foto: Alexander Kirbis

Begeben wir uns auf die Spuren, die zum Loch führten. Ein beliebtes Thema, wie sich zurzeit auch an Informationsständen der Gemeinderatsfraktionen zur Kommunalwahl am 9. Juni 2024 zeigt. Manche/r trauert noch dem Saal nach, andere dem gebrochenen Wort von Räten, weil die zugesagte Stadthalle immer noch nur auf dem Papier steht obwohl real fest zugesagt.

Unsere Zeitreise beginnt 2011: Erstmals gehörte der Mühlehof vollständig der Stadt, erworben zum symbolischen Preis von einem Euro von der Firma Echo aus Berlin, die vor der Sanierungsaufgabe kapitulierte – was manche heute noch verdrängen wollen. Eine von der Stadt beauftragte Machbarkeitsstudie von Dress & Sommer aus Stuttgart gab die Kosten für eine Rund-um-Erneuerung mit 30 Millionen Euro brutto an.

Was tun? Bei einer Bürgerversammlung am 30. Juni 2011 mit etwa 450 Besuchern ging es im Mühlehof-Saal um die Zukunft des Mühlehofs, ums Einkaufen in der Innenstadt und das Kulturangebot in Mühlackers Zukunft. Führungen durch das Gebäude, Blicke hinter die Kulissen – alles sollte der Meinungsbildung dienen. Ein Internetforum ließ die Stadt auch freischalten.

Irgendwie alles schon einmal dagewesen.

Lückenlos: Stadtzentrum als Modell. (Fotos: Günter Bächle)

Auf Vorschlag der Freien Wähler ließ die Stadt seinerzeit die D&S-Studie von den 4a Architekten in Stuttgart gegenprüfen:

  • Ist eine Sanierung des Mühlehofs sinnvoll? Ist eine Sanierung in Bauabschnitten möglich?
  • Die Expertise von 4a bestätigte die Ergebnisse der von Drees & Sommer ausgearbeiteten Studie. Doch die Kritiker ließen nur jene Zahlen gelten, die sie meinten, genauer zu kennen als die Fachleute vom Bau. Schwadroneure im Gemeinderat machten es wöchentlich vor.
  • Letztlich glaubten manche eh nur jenen Zahlen, denen sie glauben wollten.

Mühlehof II? Anno 2013 scheiterte ein von der Stadt gestarteter, europaweit ausgeschriebener Wettbewerb für eine neue Stadthalle an gleicher Stelle, ergänzt durch die, die Frequenz erhöhende private Nutzung mit Handel, Gastronomie und Dienstleistungen in einem separaten Baukomplex. Aber kein Angebot ging ein.

Ratlosigkeit allenthalben. Dann verschärfte der Brandschutz den Druck auf die Verantwortlichen. Am 5. November 2013 gab der Gemeinderat die Suche nach einem Investor frei und entschied erstmals das Undenkbare: Der Mühlehof durfte von einem Investor abgebrochen werden. Beim ersten Wettbewerb war diese Frage noch offengeblieben, was die Investitionslust der Privaten heftig bremste. Oder war der Name Mühlehof eine verbrannte Marke? Bei der zweiten Ausschreibung meldete sich immerhin ein Anbieter, dessen Konzept aber keine Zustimmung im Gemeinderat erhielt.

Hier beginnt der Zeitschiene zweiter Teil. Sie stützt sich auf die Protokolle der Gemeinderatssitzungen.

GR 23. Juni 2015:

2016: Abschied

Vorstellung eines Investorenkonzepts: Alle Fraktionen erklären, an dem Mühlehof-Areal als Kulturstandort festhalten zu wollen. In einem freihändigen Verhandlungsverfahren präsentierte die Krause- beziehungsweise Ten Brinke Gruppe ein Angebot: Der Gemeinderat solle ihnen maximal 18 Monate Zeit einräumen. Sie wollten Firmen finden, die verbindlich erklären, sich in einem Neubau einmieten zu wollen. Dieser Optionsvertrag passierte mit 19- und 13 Nein-Stimmen das Gremium. Der Zusatzantrag der SPD, der Investor solle daneben noch eine Stadthalle errichten, blieb bei 12 Ja- und 18 Nein-Stimmen sowie zwei Enthaltungen in der Minderheit. Interessant die Position von Stadtrat Rolf Leo (FW): Er sei für eine Renovierung des Mühlehofs oder für einen Abriss bei gleichzeitigem Neubau einer Kulturhalle. Kurzum: Für ein entschiedenes Sowohl-als-auch – eine Haltung, die sich als typisch in der ganzen Debatte erwies.

GR 22. März 2016

Antrag der CDU-Fraktion (A 16-11-40-23-20) zu einer neuen Stadt- und Kulturhalle. Der daraufhin gefasste einstimmige Beschluss:  Die Stadtverwaltung legt bis zur Sommerpause 2016 ein Raumprogramm für eine neue Stadt- und Kulturhalle vor, einen Vorschlag zum Standort, einen Termin- und Finanzierungsplan sowie ein vorläufiges neues Kulturkonzept. Der Themenkomplex Kultur wurde in die Bürgerbefragung mit aufgenommen. Einige Tausend nach dem Zufälligkeitsprinzip verschickte Fragebogen. Der gute Rücklauf erlaubte einen repräsentativen Wert dieser Ergebnisse. Zwei Drittel hielten eine Stadthalle für notwendig.

Immerhin: Das Stadthallen-Raumprogramm lag seit drei Jahren vor. Die drei Seiten hingen der Sitzungsvorlage 067/2016 zu diesem Tagesordnungspunkt an. Kernstücke: Großer Saal für 600 bis 800 Personen, Foyer 180 Personen, kleiner Saal 80 bis 120 Besucher. Insgesamt 1684 Quadratmeter Nutzfläche für alles drum und dran, ermittelt vom Büro Vögele Consult in einer Sitzung mit den Kulturmachern aus der Stadt. Kosten der Stadthalle maximal 13,5 Millionen Euro. Denkbare Standorte: Rappstraße oder Lienzinger Tor. Die FW sprach sich für das Feuerwache-Areal an der Rappstraße aus. Die LMU forderte einen Masterplan für Kultur und eine Bürgerbefragung. Die CDU sagte, der Uhlandbau reiche auf Dauer nicht aus. Die SPD erklärte das Projekt für finanzierbar: Durch den Bevölkerungszuwachs und die daraus resultierenden Mehreinnahmen sei Geld da.

Der Haupteingang

Der anschließende Punkt der Tagesordnung lautete:  Verkauf des bebauten Mühlehof-Areals verbunden mit einer Abbruch- und Bauverpflichtung an die Erlenbach Center GmbH & Co KG mit Sitz in 46399 Bocholt. Den Eckpunkten stimmten 19 Stadträte und der OB zu, 13 lehnten ab. Die Erlenbach Center GmbH hatten die Krause-Gruppe und Ten Brinke extra für dieses Projekt gegründet. Sie präsentierten in der Sitzung die Namen dreier Mietinteressenten: H&M, New Yorker und die Drogeriemarkt-Kette Rossmann. Der Spagat der FW: Sie sei für den Erhalt des Mühlehofs. Falls aber eine Sanierung teurer sei als ein Neubau, sei sie gern für einen Abriss und einen Neubau. Die CDU trug den Kurs der Verwaltung mit, denn bisher habe niemand einen Vorschlag zur Finanzierung der Sanierung vorgelegt. CDU, FDP und LMU unisono: Alle bisherigen Versuche der Sanierung seien gescheitert, nun komme nur der Abbruch in Frage.

Am 11. Juli 2016 gab es schlechte Nachrichten. H&M dampfte seine Investitionen in kleineren Städten wie Mühlacker aus Ersparnisgründen ein und unterzeichnete deshalb nicht den Mietvertrag fürs Erlenbach Center.  Darauf sprang New Yorker ab, sehr zum Verdruss junger Leute in  der Stadt.

GR 26. Juli 2016

Herber Rückschlag: Anträge von CDU, SPD und FW lagen dem Rat vor, denn es zeichnete sich ab, dass Krause + Ten Brinke innert der 18 Monate keine gültigen Mietverträge für das Erlenbach Center präsentieren konnten. Nur Rossmann fand, in Mühlacker präsent sein müssen. Ein Unternehmen, das einen langen Atem hat, denn 2023 wird er sich an der Goethestraße niederlassen und somit acht Jahre nach dem ersten Versuch.    

Mit 19 Ja- bei 10 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen verlängerte der Gemeinderat am 26. Juli 2016 die Frist bis Silvester 2016 in namentlicher Abstimmung auf CDU-Antrag. Gleichzeitig lehnte das Gremium bei 19-mal Nein und 13-mal Ja den gemeinsamen Antrag von SPD und FW ab, sofort den Optionsvertrag aufzuheben und als Stadt selbst am Standort Mühlehof einen Kultursaal, flankiert mit Dienstleistungen, zu entwickeln – entweder bei einem sanierten Mühlehof oder im Neubau der Kulturhalle. Der OB hatte dies als Plan B gesehen, sah die Zeit dafür noch nicht reif, denn mit der Fristverlängerung verliere die Stadt keine Zeit, schließlich stünden Gelder für ein eigenes Konzept erst im nächsten Etat zur Verfügung.

Beton und Kupfer - ein Koloss. Für Mühlacker zu groß?

Die SPD beantragte und erreichte namentliche Abstimmung über beide Anträge. Die FW erklärte Handel am Standort Mühlehof für gescheitert. Gleichzeitig postulierte der FW-Sprecher, der Mühlehof müsse erhalten und saniert werden. Für die CDU-Fraktion rückte ich zurecht, dass die Anträge von FW und SPD keine Absage an einen Abbruch seien. Immer neue Varianten machten die Runde, obwohl der Abriss eigentlich schon 2013 beschlossen worden war – offen blieb lediglich, ob ihn ein Investor wegnimmt oder die Stadt selbst.  Die SPD hielt nun einen Teilabbruch für denkbar, die FW eine minimale Sanierung. Der OB hielt dagegen und legte den Finger in die Wunde: Aus brandschutzrechtlichen Gründen dürfe der Mühlehof nur bis Januar 2016 betrieben werden.

GR 31. Januar 2017

Nachdem Krause-Gruppe und Ten Brink bis Ende 2016 nicht verbindlich mit ausreichend potenten und interessanten Mietern dienen konnten, trat die Stadt vom Optionsvertrag zurück. Die Entscheidung fiel fast einstimmig. Das bei manchen Leserbriefschreibern ungeliebte Erlenbach Center ward gekippt.  Nun trat der OB mit Plan B an und erhielt den Auftrag, Angebote von Fachbüros zur Untersuchung der Statik wegen eines eventuellen Teilabbruchs einzuholen und zur Ermittlung der Kosten für eine Sanierung nur des kulturellen Teiles (21 Ja, 5 Nein, 6 Enthaltungen). Gleichzeitig stellte der Gemeinderat im Etat dafür 100.000 Euro bereit.

CDU und FDP hielten den Zeitpunkt für eine Zäsur gekommen, während Leo im Protokoll mit der Aussage zitiert wird, seine Fraktion sei schon immer gegen die Ansiedlung von Gewerbe an diesem Standort gewesen. Er sei offen für alle Lösungen.

Auszug aus der schriftlichen Stellungnahme von mir als Vorsitzendem der CDU-Fraktion:

Wir starten jetzt nicht neu bei null, denn dafür haben wir in den vergangenen elf Jahren – seit 2005 mit dem Verkauf des Mühlehofs an die Firma Echo – zu viele Erkenntnisse gewonnen:

1. Das Konzept Mühlehof – oben Kultur, unten Käse bei gleichzeitig drei Eigentumsformen: städtisch, privat und gemeinschaftlich – ist gescheitert.

2. Der Versuch der Firma Echo, im Bestand zu sanieren, ist ebenfalls gescheitert. Beleg ist die Überlassung der Immobilie 2011 an die Stadt ohne Sanierung für einen einzigen Euro. Seitdem hat sich der Zustand des Gebäudes verschlechtert.

Wer so tut, als sei das Gebäude mit einem vertretbaren Aufwand für den Steuerzahler zu sanieren, huldigt alternativen Fakten, ist also postfaktisch unterwegs.

Ob Handel und Gewerbe als Ersatz an diesem Standort gescheitert sind, wird auf Dauer um-stritten bleiben.  Belastbare Fakten würde man erst bei einer weiteren Fristverlängerung be-kommen. Wir halten Handel und Gewerbe an diesem Standort zur Belebung der Innenstadt grundsätzlich für richtig.

Die CDU-Fraktion hat frühzeitig erklärt, für den Abriss zu sein und als Plan B für eine neue Stadt- und Kulturhalle auf dem Mühlehofareal – wenn es mit Handel und Gewerbe nichts wird. Dass inzwischen bisherige Sanierungsbefürworter nun von einem Teilabbruch sprechen, zeigt doch, dass es Bewegung gibt. Leider sollen wir nun weitere Ehrenrunden drehen, die wieder Geld kosten, um am Ende dort zu landen, wo die CDU-Fraktion schon jetzt steht: dass der Ab-riss die einzige wirtschaftliche Lösung ist. Es sei denn, man vertraut alternativen Fakten.

Dr. Jens Hanf (FDP):

Es ist ja wohl bekannt, dass wir uns für die Investorenlösung eingesetzt haben. Und wir sehen nach wie vor die Vorteile, die diese Lösung gehabt hätte. Wir haben uns von einer gewerblichen Nutzung mit attraktiven Mietern einen positiven Schub und eine Belebung der Innenstadt versprochen, auch und vor allem für unsere jüngeren Mitbürger. Zudem hätte dies den Charme gehabt, dass unserer Stadt an dieser Stelle keine weiteren Kosten entstehen.

Leider gelang es der Krause-Gruppe auch trotz einer Fristverlängerung nicht, geeignete Mieter zu finden. Dass die Stadt erst verspätet über einen personellen Wechsel in der Projektleitung informiert wurde, hat das Vertrauensverhältnis zusätzlich belastet.

Aus diesen Gründen sehen wir das Projekt mit einer rein gewerblichen Nutzung an diesem Standort leider für gescheitert an und stimmen der Ausübung des Rücktrittsrechts zu.

Für das weitere Vorgehen werden wir uns dafür einsetzen, dass, wie auch im Beschlussvor-schlag aufgeführt, ein klarer Zeitplan für die Entscheidungsfindung aufgestellt wird.  Aber ebenso ein realistischer Zeitplan für eine mögliche Umsetzung.

Nun also Plan B, mit dem Gemeinderat und Verwaltung durchaus hoffnungsvoll starteten.

GR 04. Juli 2017

Geplatzt: Die Pläne für das Erlenbach Center (2016)

In der Sitzungsvorlage 155/2017 legte die Verwaltung den Plan B auf den Tisch und erhielt für diesen eine einstimmige Akzeptanz. Auf der Basis des Raumprogramms, das nur aus der Schublade gezogen werden musste, ging der Gemeinderat mit Baukosten von 12 Millionen Euro für eine Stadthalle mit bis zu 1000 Plätzen aus – aber ohne Orchestergraben und Empore sowie einer deutlich kleineren Bühne als im Mühlehof. Nach einem Planungswettbewerb sollte im September 2019 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Leo und ich waren uns einig, der Terminplan müsse schneller umgesetzt werden. Jedenfalls, so die Verwaltung in ihrer Vorlage, solle bis 30. September der Mühlehof abgebrochen sein.

Der entscheidende Beschluss:

1. Die Stadt Mühlacker wird eine neue Stadthalle bauen. 2. Die Stadthalle wird am bisherigen Standort des Mühlehofes errichtet. Dieser wird abgebrochen. 3. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte einzuleiten. 4. a) Der Terminplan wird zur Kenntnis genommen. b) Der Abbruch des Mühlehofs soll bis zum 31.12.2018 abgeschlossen sein.  c) Der Baubeginn der neuen Stadthalle soll unmittelbar nach Beendigung der Abbrucharbeiten des Mühlehofs stattfinden.

GR 25. Juni 2018

War das der entscheidende Durchbruch? Jürgen Metzger (SPD-Sprecher) und ich plädierten im Gleichklang dafür, baldmöglichst nach dem Abbruch des Betonkolosses mit dem Bau der Stadthalle zu beginnen. Das Loch in der Stadtmitte, so mein Kollege, müsse dann zum zügigen Weitermachen ermahnen.

GR 19. Februar 2019

Klare Beschlüsse, klare Mehrheiten und trotzdem blieb das Projekt nur auf dem Papier, das Loch weiter offen. Das ist eine Frage, die mich umtreibt. Fakt ist: Der Mangel bei Teilen des Rates an Bereitschaft, zu den eigenen Beschlüssen zu stehen, der wiederum die Verwaltungsspitze verunsichert. Populismus als Kompass. Wenn der erste kritische Leserbrief im Blatt steht, sind schon mal gute Beschlüsse vergessen. Das schadet Werten wir Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit.

Wie konnte das geschehen? Vorlage Nr. 44/2019 – sie zeigte auf die Zielgerade. Neue Stadthalle – Projektsteuerer, Zeitschiene. So hieß der Punkt auf der Tagesordnung des Gemeinderates vom 19. Februar 2019. Nach dem nun überarbeiteten Zeitplan sollten im Dezember 2021 der erste Spatenstich und 2025 die Einweihung sein. Der Antrag der Verwaltung fand in allen drei Punkten eine Mehrheit (einstimmig – 27 Ja und 6 Enthaltungen – 19 Ja und 13 Nein). Mit solchen deutlichen Mehrheiten hätte die Verwaltung arbeiten können.

Hätte! Nun sollte nach alternativen Finanzierungswegen gesucht werden. Als Vorbild galt (gilt?) das Konzept für den Neubau des Landratsamtes II in Pforzheim. Die Sparkasse PF CW baut und finanziert, der Landkreis wird Mieter und kann die Immobilie nach einer gewissen Zahl von Jahren zum Restbuchwert von der Bank ins Eigentum übernehmen. Tatsächlich ließ die Bank auch für eine Mühlacker Stadthalle planen und Kosten berechnen, untersagte jedoch, ihr Angebot dem Gemeinderat schriftlich vorzulegen. Der OB durfte nur mündlich Angaben machen. Seitdem herrscht Funkstille.

Bis OB Schneider Anfang 2022 das Konzept des Stuttgarter Stadtplaners und Architekten Bernhard Reiser (Mesa) präsentierte für eine neue Mitte. Schneider packte dies in ein Gesamtkonzept, beschrieb auch andere Zukunftsaufgaben (Schulen, Kindertagesstätten, bezahlbarer Wohnraum, Ausbau erneuerbarer Energie und des Glasfasernetzes, Impulse für die Innenstadt) und überschrieb alles mit Strategie für Mühlacker. Und der stimmte der Gemeinderat einmütig zu. Doch als nur wenige Wochen später für knapp 50.000 Euro eine Machbarkeitsstudie bei Mesa in Auftrag gegeben werden sollte, fiel der Gemeinderat wieder in sein altes Strickmuster zurück: 14 Ja, 6 Nein und 4 Enthaltungen. Kaum meldeten sich die ersten Kritiker zu Wort, war die Einheit dahin. Derzeit läuft auf Antrag von CDU, LMU und SPD – gegen FW und FDP - eine breite Bürgerbeteiligung zur neuen Mitte.

Die Endphase der Abbrucharbeiten des Mühlehofs. Das Loch blieb, weil die Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt wurden, die einen Stadthallen-Neubau an dieser Stelle vorsahen

Meine Hoffnung: Ein Konsens in der Sache bei den Bürgern, der sich auf den Gemeinderat überträgt und Mühlacker aus dem (fast) Kulturhallen-Niemandsland holt. Braucht zwar länger. Das Mühlehof-Lehrstück zeigt: Ohne Bürgerbeteiligung geht es auch nicht schneller. Hoffentlich gerät das Ergebnis dieses Prozesses nicht auch so unter Beschuss wie seinerzeit das Erlenbach Center und Schneiders neue Mitte.

Lassen wir nicht zu, dass Projekte gegeneinander ausgespielt werden wie Schulsanierungen gegen Stadthalle. Die Umsetzung ist kein Sonntagsspaziergang, sondern ein gewaltiger Kraftakt. Aber der ist notwendig, sollen die Werke gedeihen.

Kraftakt, das Wort sagt alles. Der kann auch das Mühlehof-Loch verschwinden lassen. Der Gemeinderat muss Wort halten.

Trauen wir uns was – genauso wie 2015 die Gartenschau der Superlative.  Die hatten uns manche auch nicht zugetraut. Und ehrlich: Wir uns auch nicht unbedingt. Aufbruch statt Verzagtheit.

Nachsatz des Autors: Als Beteiligter war ich Partei in dieser Geschichte über all die Jahre. Trotzdem trug ich möglichst viele belegbare Fakten für diesen Rückblick zusammen, aus allesamt öffentlich zugänglichen Quellen, nämlich die Protokolle der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats der Stadt Mühlacker. Quellen: Ratsprotokolle 2015 § 84, 2016 §§ 44, 45, 124, 2017 §§ 1, 87, 2018 § 96, 2019 §§ 65, 96, 2022 § 37 und 87.

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.