Dass das so interessant ist . . .

Zugegeben, kurz nach Ostern über Weihnachten zu schreiben, mag leicht unpassend erscheinen. Doch hier wird über ein Thema gebloggt, das eher einzugruppieren ist unter Museen oder kommunale Einrichtungen, aber trotzdem mit Weihnachten zu tun hat. Kulturgeschichtliches, das zeitlos ist wie die Herstellung des Gegenstandes, der nur in der Weihnachtszeit seinen Zweck erfüllt: der Christbaumständer.  Ihm ist im alten Rathaus in Lienzingen ein ganzes Museum gewidmet, dem weltweit wohl einzigen seiner Art.

Von Lienzingen nach Göppingen ausgeliehen

Möglich geworden durch eine Spende der privaten Sammlerin Heidi Schwarz. Die Mannheimerin bot Kommunen mehrere hundert Christbaumständer an – aus den unterschiedlichsten Epochen, in den verschiedensten Arten und Formen. Die Stadt Mühlacker griff zu, der Schwarz’sche Fundus schrumpfte. Es gab Platz in der Sammlerin Haus. Dafür füllten sich rasch die beiden Etagen des Lienzinger Rathauses.  Seitdem ist fast das ganze Jahr über die Dauerausstellung anzuschauen. Reservebestände erlauben das Wechseln der Exponate.

Untersatz mit Musik

Friedenstraße 10, Lienzingen, nur von Juni bis einschließlich August geschlossen, quasi Außenstelle des Heimatmuseums Mühlacker. Von manchen, die noch nicht drin waren, belächelt. Doch meist wandeln sie sich nach einem Rundgang von Saulus zu Paulus. Dass das so interessant ist, hätten wir garnicht gedacht. Ein häufiger Kommentar.

Pech für das Ende November 2019 eröffnete Museum: Nur wenige Monate danach brachte die Pandemie das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand, waren Museen geschlossen. Das Lienzinger von 8. März 2020 bis Mitte 2021. Schade! Dabei verlief der Start reibungslos, verhieß durchaus Erfolg. Die einzigartige Sammlung beförderte Mühlacker und damit auch unseren Stadtteil bundesweit in die Medien. Berichte erschienen auch in Luxemburg und der Schweiz. In nicht ganz einem Monat nach der Eröffnung kamen 452 Besucher.

Doch plötzlich blieb es leer im sanierten früheren Lienzinger Rathaus. Darunter litten natürlich auch die Besucherzahlen. Trotzdem bewahrte sich die Sammlung einen guten Ruf über die Stadt hinaus. Und so waren bis Ende Februar 2024 Leihstücke im Museum im Storchen in Göppingen zu sehen: Rund 30 Christbaumständer aus dem Museum in Lienzingen bei Mühlacker als Teil einer interessanten Wechselausstellung über Christbaumschmuck im Wandel der Zeit. Alles Lametta? Das Beispiel beweist: Das Thema trägt, weckt Interesse auch durch einen Vortragstitel. Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum - was wärst Du ohne Christbaumständer.

Fünf Jahre Christbaumständer-Museum - wie standen Aufwand und Ertrag zueinander? Im Februar 2024 beantwortete die Stadtverwaltung eine Anfrage aus dem Gemeinderat (S24-011-23-40).  Der Neustart 2021 verlief zunächst schleppend, die Öffnungszeiten wurden angepasst. Aber zunehmend entdeckten Gruppen den Reiz der Exponate im Lienzinger Rathaus, warben durchs Weitersagen.  Eine eigene Homepage, Verleihung von Exponaten an andere Museen sowie Gastvorträge, Filmberichte über das Museum in arte und Norddeutscher Rundfunk, Präsentation an Messeständen der Stadt.

Bei all dem: Der Eintritt ist frei.

Besucher-Bilanz mit Talsohle

Die Stadt lässt sich diese museale Rarität fast 37.000 Euro im Jahr kosten. Ergänzt wird dieses Angebot durch die Etterdorfstube in der zweiten Etage. Ein kleiner Raum zur Ortsgeschichte, die in nächster Zeit fertiggestellt werden soll. Das Projekt verzögerte sich zunächst, weil auf die Ausschreibung der Sanierungsarbeiten an dem Fachwerkgebäude kaum Angebote eingingen und sich deshalb die für 2016 geplante Fertigstellung deutlich nach hinten verschob.

Bunt und vielfältig - die Lienzinger Leihgaben

Im Jahr 2016 feierte Lienzingen die erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren. Dann hatten die Christbaumständer Vorrang, die Pandemie-Zwangspause folgte und schließlich wurden durch die Zusammenlegung der Leitungen von Volkshochschule und Heimatmuseum die personellen Engpässe deutlich. Momentan stehen laut Stellenplan 12 Prozent einer E11-Stelle und 16 Prozent einer E7-Stelle für Koordination, Sammlungsverwaltung und Inventarisierung des Bestandes, Beantwortung von Anfragen, Einteilen und Abrechnung der Aufsichtskräfte, Besucherbetreuung und Abhalten von Führungen zur Verfügung. Fürwahr, keine üppige personelle Ausstattung. Im Gegenteil (Quelle Gemeinderat Mühlacker: S24-011-23-40).

Heute, an diesem warmen, wenn auch regnerischen April-Tag erlebte ich zur eigenen Überraschung, wie nah Weihnachten sein kann. Denn vor dem Museum versammelte sich gerade eine Wanderergruppe - sie hatte eine Führung durchs Christbaumständer-Refugium gebucht. Was fehlte, war der anschließende Gang ins Kaffeehaus. Beides zu kombinieren, würde ein weiteres Besucher-Plus bringen. Mal schauen, vielleicht findet sich eine intelligente Kooperation.

Besuchszeiten: November bis Januar jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr, von Februar bis Mai sowie September bis Oktober jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr, von Juni bis August geschlossen, Führungen sind möglich. Kontakt: 07041 876325. E-Mail: museum@stadt-muehlacker.de

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